IKAT

Museumspädagogik im Museum der Weltkulturen, Frankfurt am Main

Von Doris Stambrau und Liane Gugel

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Objekte zum Thema "Irokesen" der museumspädagogischen Slg. Weltkulturen Museum, Frankfurt am Main

Die museumspädagogische Abteilung des Museums der Weltkulturen ist als interkultureller Erlebnis- und Lernort konzipiert, an dem Grundthemen menschlichen Zusammenlebens behandelt werden. Auf der wissenschaftlichen Grundlage der Ethnologie findet die Erschließung und Übersetzung von Lebensformen und Weltsichten statt.

Im Obergeschos des Museums platziert, bietet das INTERKULTURELLE ATELIER - IKAT Raum für vielseitige pädagogische Arbeit. Die Namensgebung ist nicht nur ein Kürzel: Vielmehr stellt der Begriff eine Verbindung zu sinnlich wahrnehmbaren Objekten her, den Ikat-Stoffen aus Südostasien. Ikat (indonesisch: Bündel; mengikat: abbinden) ist eine komplizierte und aufwendige Reserve-Musterungstechnik, bei der die noch ungefärbten Garnbündel vor dem Weben der Muster aufgespannt und stellenweise abgebunden werden. Beim Färben bleiben diese reservierten Stellen ungefärbt. Durch mehrmaliges Abbinden und Färben lässt sich Mehrfarbigkeit erzielen. Beim darauf folgenden Weben entstehen auf diese Weise Muster und Motive, die durch unscharfe Umrisslinien gekennzeichnet sind. Auch die Grenzen zwischen Kulturen sind fließend und zeichnen sich durch vielfältige Übergänge aus. Kreative Entwürfe führen zu zielgerichteten Konzepten, gedankliche Verbindungen werden miteinander vernetzt. Nicht das eine, klar Umrissene soll in den Vordergrund treten, sondern die Vielfalt an Möglichkeiten zwischen eigenen Denkstrukturen und den Vorstellungen anderer Menschen sollen erkennbar werden.

Kenntnisse über die Mannigfaltigkeit anderer Lebensformen und Weltsichten regen auch eine Auseinandersetzung mit dem spezifisch Eigenen an. Im Bewusstsein der kulturellen Vielfalt als Ressource stehen im IKAT Themen wie Kultur und Entwicklung, Dialog der Kulturen, Lebenskonzepte, Weltsichten und Zukunftsfähigkeit im Rahmen der Globalisierung zur Diskussion. Der Umgang mit Menschen anderer Kulturzugehörigkeit, Sprache und Religion ist leichter, wenn Vorkenntnisse einen Zugang eröffnen. Bewusste Wahrnehmung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten ermöglicht Annäherung und Toleranz. Anhand vorbereiteter inhaltlicher Themen führen Erkunden und Entdecken von Andersartigkeit als aktive Lernerfahrung hin zu Fragestellungen, die mit der offenen Formulierung von Unbehagen und Vorurteilen Raum zur Erörterung von Konflikten bieten. Interesse und Verständnis für kulturelle Unterschiede bei Kindern und Jugendlichen zu wecken und zu vertiefen, diese aber auch als Erweiterung und Bereicherung des eigenen Denkens und Handelns zu erleben, ist das Ziel der didaktischen Arbeit im IKAT.

Das museumspädagogische Angebot richtet sich differenziert an Privatpersonen mit kulturellem und künstlerischem Interesse, Familien, Kindergärten und -tagesstätten sowie Kinder- und Jugendgruppen. Den Schwerpunkt der pädagogischen Arbeit bilden Programme für alle Schulformen bis zur Sekundarstufe II. Spezifische Ausstellungsinhalte werden erarbeitet und vertieft in Form von Führungen, Ausstellungsgesprächen, Projekten, Workshops und Fortbildungsveranstaltungen.

Darüber hinaus finden Sonderveranstaltungen statt für ältere Menschen, Geburtstagskinder und generationsübergreifend für Einzelpersonen mit Interesse für Kunst, Musik und internationale Küche. Hör- und sehgeschädigten Besuchergruppen steht ein spezielles Programm zur Verfügung.

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Maskenbau. Museumspädagogische Abteilung des Weltkulturen Museums in Frankfurt am Main

Das Museum der Weltkulturen ist in einer alten Patriziervilla am Main untergebracht, es gibt keine Dauerausstellung. Die räumliche Begrenztheit der Ausstellungsräume und des IKAT erfordert bei Veranstaltungen eine Reduktion der Gruppengröße auf maximal 15 Personen.

Als Arbeitsräume stehen in der museumspädagogischen Abteilung ein Atelierraum, ein Medienraum, eine Goldschmiedewerkstatt, eine Küche und zwei Büroräume zur Verfügung. Inhaltlich an den Themen der laufenden Ausstellungen und des ständigen IKAT-Programms orientiert, können Gruppen keramische Objekte herstellen, mit Papier und Leder arbeiten, drucken, Instrumente bauen, textile Objekte gestalten, weben oder flechten.

Die eigene Sammlung des IKAT im integrierten Magazin macht die besondere Qualität des Interkulturellen Ateliers aus. Bisher besteht die Sammlung aus etwa 600 Objekten, mit der Kurse zu verschiedenen Ausstellungsthemen im Haupthaus und in der Galerie 37 angeboten werden. Bestimmend für die interaktive Arbeit ist die direkte Präsentation der einzelnen Sammlungsstücke. Während der Gesprächsrunden und Workshops wird es möglich, intensive Eindrücke nicht nur aus dem Erzählten Wissen anderer Kulturen zu schöpfen, sondern auch durch das taktile Erleben fremder Produkte.

Kurzgefasste Texte, Bilder und Karten, Spielvorschläge, Kochrezepte et cetera als pädagogisches Begleitmaterial bieten grundlegende Informationen und Anregungen zu bestimmten Themen (Schulalltag in Kenia, Internatsschulen im indigenen Nordamerika, Schöpfungsmythen indianischer Völker und aus Ozeanien, zeitgenössische Kunst in Uganda et cetera.) und Regionen: Burkina Faso, Marokko, Indonesien (Bali und Java), Bangladesch, Ecuador, Brasilien, Mexiko, Kanada und USA.

Das Programm des IKAT setzt sich aus einzelnen Modulen zusammen: Ausstellungs- und Expertengespräche sowie Diskussionsrunden und künstlerisch-praktische Atelierkurse, letztere mit spezifischen Schwerpunkten wie Musikethnologie und Silberschmiedekunst. Das Familienprogramm am Wochenende, das in der Regel dreistündige Workshops umfasst, verbindet forschendes Lernen, internationale Küche und kreative Gestaltung. Im Rahmen der Ausstellungen in der Galerie 37 finden Kunstaktionen und Workshops für Leistungskurse statt. Jede Veranstaltung wird von geschulten Fachkräften betreut, auch fremdsprachlich.

Die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern aus externen Bereichen erweitert die inhaltlichen Perspektiven. Hierzu zählen andere Museen, die öffentliche Jugendarbeit, Schulämter, Kirchen, Elternbeiräte und Institutionen der Behindertenarbeit. Im Jahre 2003 wird beispielsweise eine Theatergruppe junger Irokesen der Six Nations Reserve (Ontario) das Ausstellungsprogramm mit einer Inszenierung zum Thema "Residential Schools" erweitern.

Als Ergänzung zur wissenschaftlichen, ethnologisch orientierten Präsentation von Objekten und Texten in den Ausstellungen vermittelt das IKAT Erfahrungen in der künstlerischen Gestaltung. Für Kinder steht das spielerische Erleben im Mittelpunkt.

Das IKAT als Begegnungsstätte für Gäste jeden Alters ermöglicht Dialoge und regt an zur Neugier. Viele Nationen leben in einer Welt. Wer Einblicke in die Vielfältigkeit dieser Kulturen gewinnt, kann die reichhaltigen Ressourcen erkennen, die ein Miteinander in sich birgt.


Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008