WAYANG WONG: ZU ÄSTHETIK UND POLITIK DES JAVANISCHEN TANZDRAMAS

Von Annette Hornbacher

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Männerhose und Brustbekleidung mit Stickarbeiten. Foto: A. Rein. Sammlung Weltkulturen Museum, Frankfurt am Main

Dieses historische Kostümset für das javanische Tanztheater Wayang Wong wurde vor kurzem vom Museum der Weltkulturen in Frankfurt am Main für seine Indonesien-Sammlung aufgekauft.

Es mag ungewöhnlich erscheinen, javanisches Tanztheater aus der Perspektive eines historischen Kostümsets zu betrachten, zumal die entsprechende Tanzform, das Wayang Wong , bis heute praktiziert wird. Hier interessiert jedoch nicht die aktuelle Tanzpraxis als solche, sondern deren Potenzial, unter bestimmten Bedingungen als mythisch-ästhetische Darstellungstradition politische Entscheidungsprozesse zu beeinflussen. Paradigmatisch dafür steht hier ein Kostümset, das jahrzehntelang im Keller eines Antiquitätenhändlers aus Sumatra verstaut war, ehe es vor zwei Jahren seinen Weg nach Deutschland fand.

Es handelt sich um rund 70 Kopfbedeckungen und Kostüme, zahlreiche Waffen und Schmuckteile, deren genaue Entstehungszeit und Herkunft unbekannt sind. Nicht alle Kostüme waren bislang zu identifizieren, charakteristische Kopfbedeckungen weisen jedoch darauf hin, dass das Set dem indischen Ramayana-Epos zuzuordnen ist. Zeitungsausschnitte, die in die Kopfbedeckungen eingenäht sind, legen zudem eine Entstehung in den späten 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts nahe. Das Set stammt damit aus der dramatischen, von Militärputsch und Kommunistenmorden geprägten Frühphase der indonesischen Republik, die nach jahrelanger Tabuisierung erst heute, seit dem erzwungenen Rücktritt des Präsidenten Suharto im Jahr 1998, wenigstens ansatzweise öffentlich diskutiert wird. In den Kostümen verknüpft sich also die jahrhundertealte klassische Theaterkunst und Mythologie der hindujavanischen Königreiche unversehens mit aktuellen Machtverhältnissen. Eben diese Verknüpfung soll hier umrissen werden.


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Sita und ihre Vertraute in Rawanas Palast. Ramayana-Relief von Panataran. 14. Jh. Ostjava, Wayang-Stil.

Als eine Form des klassischen Tanztheaters wird Wayang Wong bis heute auf Java und Bali aufgeführt. Seine Verbreitung in Indonesien deckt sich mit jenen Regionen, in denen sich seit dem 9. nachchristlichen Jahrhundert hinduistische höfische Kulturen nach indischem Vorbild gebildet haben. So bedeutend diese indischen Einflüsse jedoch für Kunst, Religion und Politik waren, ihr Vorbild führte weder auf Java noch auf Bali zur einfachen Kopie, sondern leitete einen bis heute kreativen ästhetischen Aneignungs- und Umdeutungsprozess ein, der auch an den unterschiedlichen Ausprägungen des Wayang Wong auf Java und Bali deutlich wird.

Während Bali bis heute hinduistisch geblieben ist, fand auf Java seit dem 16. Jahrhundert eine anhaltende Islamisierung statt, die zwar nicht zum Bruch mit dem künstlerischen Erbe der hinduistischen Königreiche geführt hat, wohl aber zu dessen Re-Interpretation und sogar Re-Vitalisierung. Diese betraf namentlich die gesellschaftlich bedeutsamen Künste: Musik, Tanz und Poesie, die nicht nur dem Vergnügen dienten, sondern Modelle vorbildhaften Betragens lieferten und so die politische Legitimation hinduistischer wie muslimischer Herrscher unterstützten.

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Kopfschmuck mit Krone mahkota für Fürsten oder Gottheiten. Foto: A. Rein. Sammlung Weltkulturen Museum, Frankfurt am Main

In der ebenso politischen wie synkretistischen Überlieferungsgeschichte des Wayang Wong spielen dessen narrativ-mythische Vorlagen und seine performative Gestaltung als Aufführung jedoch unterschiedliche Rollen. Während indische Mythen - wie z. B. das Ramayana-Epos – schon früh nachgedichtet und schriftlich festgehalten wurden, hat die theatralische Umsetzung des Stoffs erhebliche Wandlungen durchgemacht. Ein kurzer Blick auf die ersten Zeugnisse hindujavanischer Theaterkunst mag dies erläutern: Sie finden sich bereits im 8./9. Jahrhundert in den Steinreliefs des buddhistischen Heiligtums Borobudur und in der zentral-javanischen hinduistischen Tempelanlage von Prambanan, Lara Jonggrang, deren Ikonographie die klassischen Posen des indischen Tanzes wiedergibt. Sowohl die Reliefs von Prambanan als auch jene des 500 Jahre später entstandenen Tempelkomplexes von Panataran stellen dabei das indische Ramayana dar, das offenkundig von zentraler Bedeutung für beide Königreiche war.


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Rama gewinnt Sitas Hand. Ramayana-Relief von Lara Jonggrang, Prambanan. 9./10. Jh. Zentraljava.

Im Gegensatz zu dieser thematischen Konstanz sind in der ästhetischen Darstellungsform des Tanzes deutliche Brüche erkennbar. Das frühe Ramayana-Relief von Prambanan gibt Grundpositionen des Natyasastra , der klassischen indischen Schrift zum Tanz, wieder. Indisch geprägt ist ebenso sein bildhauerischer Darstellungsstil selbst, der Figuren und Szenen räumlich und realistisch zeigt. Diese ästhetische Orientierung am indischen Vorbild fehlt hingegen in der Bildhauerei des späteren ostjavanischen Ramayana-Reliefs von Panataran, das im 13./14. Jahrhundert spirituelles Zentrum des Reiches von Majapahit wurde. Dessen Reliefs repräsentieren zwar denselben epischen Stoff wie jene von Prambanan, ihre Ikonographie und der Darstellungsstil ihrer Figuren sind jedoch völlig verschieden. Statt realistischer Figuren und Szenen begegnet hier der so genannte „ Wayang -Stil“ mit seiner zweidimensionalen und stark stilisierten Darstellung. Nicht nur die Dramatis Personae erscheinen dabei wie Schattenrisse auf der Leinwand des javanischen Schattenspiels ( Wayang Kulit ), auch die Ikonographie ihrer Kostüme und ihres Kopfschmucks ist mit jener der flachen Lederpuppen identisch und eben darin Vorbild für die bis heute benutzten javano-balinesischen Tanzkostüme. Parallel dazu tritt an die Stelle realistischer Raumgestaltung die ornamentale Ausfüllung der Bildfläche durch Ranken und Zierelemente.

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Kopf- und Mundschmuck eines Affengenerals aus der Ramayana-Erzählung. Foto: A. Rein. Sammlung Weltkulturen Museum, Frankfurt am Main

Dieser stilistische Wandel kann als Javanisierung des indischen Kulturimpulses begriffen werden, wobei es höchst aufschlussreich ist, dass die künstlerische Aneignung des indischen Vorbildes keinen Wandel des theatralischen Sujets erzwingt, sondern durch die ästhetische Darstellungsform selbst erfolgt. Diese orientiert sich jetzt nicht mehr am Leitfaden indischer Tanzposen, sondern am spezifisch javanischen und zugleich rituellen Wayang Kulit , das auch terminologisch Vorbild des Wayang Wong ist, eines Wayang mit Menschen ( Wong ).

Deutlich wird also zweierlei: Die mythischen Überlieferungen Indiens werden auf Java in theatralischer Form kommuniziert, deren Ästhetik wird aber im Laufe der Zeit zunehmend durch die performativen Darstellungsmittel des javano-balinesischen Theaters geprägt. Aus diesem Spannungsverhältnis von indischem Stoff und javanischem Theater erwächst an den hinduistischen Höfen Ostjavas eine charakteristische ästhetisch-mythische Kommunikationsform, die sich fortan als stabile Grundlage und flexibles kulturelles Integrationsmedium der javanischen Geschichte erweist. Zahlreiche Künste und kulturelle Überlieferungen des legendären Reichs von Majapahit bleiben daher auch für die nachfolgenden muslimischen Sultanate Javas und selbst für die moderne indonesische Republik Paradigma und ästhetisch-moralische Legitimationsgrundlage politischen Handelns.

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Bogenfrisur, gelung supit urang, Haartracht von Helden und Kriegern. Im Ramayana z. B. von Rama, Lesmana, Hanuman und Wibisana getragen. Foto: A. Rein. Sammlung Weltkulturen Museum, Frankfurt am Main

Anders als in aktuellen fundamentalistischen Bewegungen erfolgt die religiöse Konversion zum Islam im Java des 17. und 18. Jahrhunderts darum gerade nicht als dogmatischer Bruch mit dem hinduistischen Erbe, sondern als Rückbesinnung auf dessen mythische Überlieferungen und ihre ästhetischen Kommunikationsformen. Diese werden auf Java zwar entsprechend den neuen religiösen Inhalten angepasst, zugleich aber auch revitalisiert, indem beispielsweise muslimische Heilige ( Walis ) sich des hindujavanischen Schattenspiels, des Maskentanzes ( Wayang Topeng ) und beider mythischer Helden bedienen, um ihre religiösen Unterweisungen gesellschaftlich zu kommunizieren.

Diesem ästhetischen und religiösen Synkretismus entstammt auch das javanische Wayang Wong , das in seiner heutigen Form am islamischen Kraton von Yogyakarta entstanden ist. Obgleich an hinduistische Vorformen anknüpfend, ist es in seiner aktuellen Gestalt keine Schöpfung der hindujavanischen Königreiche, sondern wurde 1755 als höfisches Tanzdrama unter Sultan Hamengkubuwana I. von Yogyakarta neu kreiert. Es ist damit Teil einer umfassenden künstlerischen Renaissance, die besonders die altjavanische Dichtung betrifft und die den muslimischen Herrscher künstlerisch wie politisch in eine ungebrochene Tradition mit dem ruhmreichen Hof von Majapahit rücken sollte. Über den konfessionellen Abgrund von Hinduismus und Islam hinweg fungiert das Wayang Wong als ästhetisches Medium kultureller Selbstvergewisserung, religiöser Synthese und politischer Legitimation und wurde ungeachtet seiner hinduistischen Ursprünge zum heiligen Erbstück ( pusaka ) des Sultans erklärt und entsprechend konservativ tradiert. Änderungen konnten fortan nur von den Sultanen selbst eingeführt werden, zu deren Bildungsgang es jetzt gehörte, sich als Tänzer, Tanzlehrer und Dichter des Wayang Wong zu profilieren. Die damit einsetzende Verschriftlichung des javanischen Wayang Wong ist zugleich Voraussetzung dafür, dass dieses – anders als sein performativ und mündlich tradiertes balinesisches Pendant - schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine kanonisierte ‚klassische’ Endgestalt ausgebildet hatte, die es erlaubte, Wayang Wong nun auch außerhalb der Kratons, z. B. in staatlichen Tanzschulen und als Teil einer panindonesischen Kultur, zu unterrichten.

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Dämonenkönig Rawana

Diese Transformation des höfisch-rituellen Tanzdramas zur modernen nationalen Kunst darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Wayang Wong auch weiterhin einen durchaus politischen und sogar religiösen Bedeutungsaspekt bewahrt. Bis heute werden die indischen Epen Ramayana und Mahabharata nicht als literarische Fiktionen tradiert, sondern v. a. als ethischer Kanon. So gilt namentlich Rama, der Titelheld des Ramayana, als Inbegriff des gerechten Herrschers, des „ ratu adil “, an dessen Idealtyp hinduistische Rajas ebenso wie islamische Sultane und nationale Präsidenten gemessen werden. Und obwohl Ramas Kampf gegen den Dämonenfürsten Rawana einen letztlich kosmischen Kampf zwischen den Mächten der göttlichen Weltordnung und den Kräften des widergöttlichen Chaos darstellt, lässt auch dieser höchst konkrete realpolitische Deutungen zu.

Dies zeigt das Beispiel des zweiten indonesischen Präsidenten Suharto, der 1965 als General die indonesischen Kommunistenverfolgungen steuerte und im Anschluss daran den ersten Präsidenten Sukarno ablöste. Namentlich auf Java und Bali wurde die Verfolgung von Kommunisten auf der Folie des Ramayana als gerechter Kampf gegen areligiöse dämonische Kräfte ausgelegt. Entsprechend inszenierte sich Suharto - z. B. auf Fotografien vor Ramayana-Motiven – mit Vorliebe als „ ratu adil “ oder gerechter König nach dem Vorbild Ramas. Er deutete durch diese mythisch-künstlerischen Assoziationen die Massenmorde an den eo ipso als atheistisch geltenden Kommunisten als notwendigen und legitimen Kampf gegen die chaotischen Mächte der Gottlosigkeit, des Adharma. Es ist daher kein Zufall, dass sich gerade in den Jahren von Suhartos Machtübernahme auf Java Ramayana-Aufführungen in Schattenspiel und Wayang Wong größter Popularität erfreuten. Und auch im Anschluss an diese Gewaltexzesse war es in Indonesien nicht nur unmöglich, sich zum Kommunismus zu bekennen, fast ebenso gefährlich wurde es, sich als Atheist zu bezeichnen.

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Brustbekleidung mit Schultertuch für Männer. Foto: A. Rein. Sammlung Weltkulturen Museum, Frankfurt am Main

Trotz dieser politischen Legitimationsfunktion fungieren das Ramayana und seine künstlerischen Repräsentationen jedoch nicht als platte Ideologie. Die mythisch-künstlerische Überlieferung bildet vielmehr ein flexibel auslegbares Medium kollektiver Identität, deren Richtung und Schwerpunkte durchaus veränderlich sind und je nach Situation unterschiedliche, ja gegensätzliche Deutungen eröffnen. So ging in der javanischen Öffentlichkeit nicht nur die Etablierung von Suhartos Macht, sondern auch die wachsende Kritik an seinem korrupten New-Order-Regime mit dem Rückgriff auf das Ramayana einher. Zuletzt freilich wurde Suharto - in Literatur, Massenmedien und darstellenden Künsten - nicht mehr mit Rama identifiziert, sondern mit dessen Erzfeind, dem gierigen Gewaltherrscher und Dämonenkönig Rawana selbst.

In eben diesem Kontext widerstreitender Auslegungen steht auch das Kostümset des Frankfurter Museums: Auch dieses wurde für eine Ramayana-Aufführung angefertigt und stammt aus der skizzierten Umbruchszeit. Stichproben der eingenähten Zeitungsausschnitte legen nahe, dass die Kostüme in den späten 50er-Jahren entstanden, v. a. in den 60ern erneuert und in den 70ern ausrangiert wurden. Seine eigentlich aktive Phase hatte das Set demnach in den bewegten Sechziger- bis Siebzigerjahren. Es erscheint somit als Zeitzeuge, wenn nicht gar künstlerisch-politisches Agens einer bis heute fortwirkenden Entscheidungsphase indonesischer Geschichte.

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Zeitungsausschnitte, die in die Kopfbedeckungen eingearbeitet waren. Foto: A. Rein. Sammlung Weltkulturen Museum, Frankfurt am Main

Damals hatte der erste Präsident Sukarno zur Bekämpfung des Hungers Landreformen angeordnet, die Landlosen zur Subsistenz verhelfen sollten, aber auf erheblichen Widerstand der Besitzenden trafen und nur zögerlich umgesetzt wurden. Der bis heute als nachgerade mythische Figur verehrte Sukarno wurde dabei zunehmend als Sympathisant kommunistischer Bewegungen verdächtigt und nicht zuletzt seitens der USA kritisiert. Die handstreichartige Machtübernahme durch seinen General Suharto erfolgte also in einer innen- wie außenpolitisch höchst angespannten Situation und legitimierte sich durch dessen Behauptung, einen Putschversuch indonesischer Kommunisten vereiteln zu müssen, als dessen Beginn die Ermordung mehrerer Generäle ausgegeben wurde. Die genauen Umstände und Täter dieser Morde wurden nie aufgedeckt, aber sogleich durch Legenden von den dämonischen areligiösen Umtrieben der Kommunisten ausgeschmückt, die in einer beispiellosen Jagd auf tatsächliche oder auch vorgebliche Kommunisten gipfelte.

Was hier stattfand, war nicht nur ein gewaltsamer Machtwechsel, sondern v. a. die mythische Deutung eines gesellschaftlichen Modernisierungskonflikts auf der Folie traditioneller Modelle von rechtmäßiger Herrschaft. Eben sie erfolgte nicht zuletzt mithilfe des Ramayana und seiner theatralischen Darstellungen. Sukarnos Bestreben, eine Umverteilung gegen lokale und westliche Machtinteressen durchzusetzen, unterlag dabei Suhartos Ziel, Indonesiens natürliche Ressourcen vom Wald bis zum Erdöl zu privatisieren und mithilfe kapitalstarker westlicher Investoren rasch und Gewinn bringend auszubeuten. Seine „neue Ordnung“ beendete die Landreformen und förderte – vom Westen sanktioniert - die Industrialisierung Javas auf Kosten indigener Bevölkerungsgruppen und Lebensentwürfe in anderen Teilen des Landes. Ihre Gewinne kamen v. a. dem Suharto-Clan selbst zugute, der Indonesien bei seinem erzwungenen Rücktritt als einen der weltweit korruptesten Staaten mit gewaltigen ökologischen und sozialen Problemen hinterließ.

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Flügelornament praba, das von Prinzen, aber auch Gottheiten auf dem Rücken getragen wird. Foto: A. Rein

Die javanischen Theaterkostüme sind nicht nur Zeugen dieser politischen Wende, sie werfen auch eine Reihe spannender Fragen auf. Spielte das Set eine aktive Rolle bei der Festigung - oder gar umgekehrt - bei der Bekämpfung von Suhartos Selbststilisierung als gerechter Herrscher? War womöglich seine soziale Funktion für den ungewöhnlichen Verkauf des kompletten Sets in den Siebzigerjahren mitverantwortlich? Bemerkenswert ist nämlich nicht nur die zeitliche und thematische Koinzidenz der Kostüme mit den politischen Ereignissen jener Jahre, sondern auch ihre lokale Zuordnung. Stilvergleiche an Jacken und Kopfbedeckungen sowie Analysen der Zeitungsausschnitte legen nahe, dass die Kostüme von keinem der höfischen Zentren in Yogyakarta oder Solo stammen, sondern vermutlich von der zentraljavanischen Nordküste um Cirebon und Semarang - dem Gründungsort und Zentrum der kommunistischen Partei Indonesiens. Ob dieser Umstand in Beziehung zum – politischen – Einsatz des Sets steht, ließe sich allenfalls auf der Basis einer Feldforschung vor Ort klären, bezeichnend erscheint es jedoch, dass eingenähte Zeitungsausschnitte nicht zuletzt von den politischen Verwicklungen und Spannungen der Sechzigerjahre berichten und namentlich vom „kommunisme“ und „Soviet Union“.

Literaturhinweise

Hornbacher, Annette (2005): Zuschreibung und Befremden. Postmoderne Repräsentationskrise und verkörpertes Wissen im balinesischen Tanz. Berlin
Klokke, Marijke J.(1995): Von Tarumanagara bis Majapahit – Die Geschichte Alt-Javas. In: Versunkene Königreiche Indonesiens (Hrsg.: A. E. Eggebrecht). Mainz
Saran, Malini; Khanna, Vinod C. (2004): The Ramayana in Indonesia. New Delhi
Sedyawati, Edi (1995): „Fremdes“ und „Eigenes“ in Kunst und Kultur Indonesiens. In: Versunkene Königreiche Indonesiens (Hrsg.: A., E. Eggebrecht). Mainz
Soedarsono (1984): Wayang Wong. The State Ritual Dance Drama in the Court of Yogyakarta. Gadja Mada University Press
Stutterheim, Willem (1989): Rama-Legends and Rama-Reliefs In Indonesia. New Delhi

Zur Autorin

PD Dr. Annette Hornbacher, Ethnologin, lehrt an der Universität München. Forschungen zum balinesischen Tanztheater. Kuratorin der ersten Ausstellung des javanischen Kostümsets im Palais Lenbach für den KOKON München.


Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008