EDITORIAL

Indien. Tradition und Moderne

Mit diesem Schwerpunktthema „Indien“ beginnen wir eine länderspezifische Schwerpunktreihe, in der in lockerer Folge jeweils mehrere Artikel zu einem Land oder Kontinent erscheinen.

Die fünf Beiträge zum Schwerpunkt „Indien“ thematisieren die Gleichzeitigkeit von Tradition und Moderne, die in allen Lebensbereichen, in der Stadt und auf dem Land zu finden sind (siehe den Beitrag von Frank Heidemann). Auffallend ist, dass die landläufige Vorstellung von einer kontinuierlichen gesellschaftlichen Entwicklung von der Tradition zur Moderne offensichtlich nicht mehr gilt (vielleicht auch so nie gegolten hat). Vielmehr werden heute Traditionen und moderne Lebenszusammenhänge, die bestimmt sind durch high tech und Globalisierung, nebeneinander gelebt, ja sie verbinden sich umstandslos in den individuellen Lebensläufen. So greifen IT-Experten je nach Lebenssituation auf traditionelle Rituale zurück und lassen sich von Priestern beraten, Menschen in bäuerlich-traditionellen Lebenszusammenhängen bedienen sich des Handys und anderer modernen Kommunikationsmittel.

So kommunizieren die traditionellen Nachrichtentrommler – im Beitrag von Bettina Weiz – nicht nur mit der Trommel, sondern auch mit dem Telefon. Politische Aktionen werden auch in abgelegensten Waldregionen auf eigens installierten Großbildleinwänden elektronisch übertragen, wie Ulrich Demmer eindrücklich beschreibt. Bei allem high tech sind aber auch weiterhin Alphabetisierungskampagnen von Nöten (siehe den Beitrag von Markus Schleiter) und das hinlänglich bekannte Kastensystem in Indien dient bei allen Veränderungsprozessen in Indien auch weiterhin der gesellschaftlichen Strukturierung und kulturellen Orientierung, worüber Ulrich Oberdiek berichtet.


Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008