FOLGEN DER FLUTKATASTROPHE IN SÜDOSTASIEN: NEUSTE NACHRICHT AUS NIAS

Von Pater Johannes Hämmerle, Gunungsitoli, Nias, Indonesien

Folgen der Flutkatastrophe in Südostasien: Neuste Nachricht aus Nias 1
Dorf Bamöwataluo mit Reihenhäusern, Süd-Nias. Foto: A. Sibeth

Auszüge einer E-mail an den Kustos des Museums der Weltkulturen Frankfurt, Dr. Achim Sibeth , datiert vom 10.1.2005

Sehr geehrter Herr Sibeth,
was für eine Freude, dass wir auf unserer kleinen Insel noch nicht vergessen sind. Ein Gruß aus der Mainmetropole! Herzlichen Dank für Ihre Anteilnahme. ...
Bitte zu entschuldigen, wenn ich solange nicht auf Ihre email geantwortet habe. Leicht verständlich bei der Flut von E-mails.

Ja, die Nachrichten und die Bilder im Fernsehen von den Auswirkungen des Erd- und Seebebens in Sri Lanka und Indonesien sind schrecklich. Zum Glück liegen wir hier eher am Rande der Katastrophe, obwohl wir nicht weit vom Epizentrum entfernt waren.

Am Sonntagmorgen, 26. Dez., hat bei uns die Nias-Erde geschwankt, von 7.58 - 8.06 Uhr West-Indonesische Zeit. Es waren bei uns keine Erdstöße, sondern ein lang anhaltendes Schwanken. Unsere Schwester Erminolda Zoller hat in der Küche nichts davon gemerkt, vermutlich weil sie in ständiger Bewegung war. Pater Bernhardin, der gerade bei den Klarissen war, unterbrach seine Predigt, da die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer nachließ. Ich selbst setzte mich im Ort Laverna oberhalb meiner Wasserzisterne hin und betrachtete das Wasser, das nach dem Beben noch lange hin und her schwappte. Und genau dieser Effekt, nun aber auf das Meer übertragen, bewirkte die Katastrophe. Die vom langen Beben und von den Veränderungen am Meeresgrund bewirkten Wellen schwappten über. Das Epizentrum soll 150 km westlich von Aceh gewesen sein. Wenn dann dort vom Beben des Meeresgrundes die Wellen ausgingen, so erreichten sie insbesondere die westliche Küste von Aceh, von Nord-Sumatra und auch die Inselkette westlich von Sumatra, u.a. Nias. Auf Nias war deshalb ebenfalls die westliche Küste zwischen den Orten Lahewa im Norden und Teluk Dalam im Süden betroffen. Insgesamt sind es wohl 200 Tote auf Nias. Diese Zahl muss aber noch verifiziert werden.

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Wellen bewirkte, dass die Katastrophe sich etappenweise fortsetzte. Was Nias betrifft, zuerst an der Westküste (angefangen von Lahewa) in der Mittagszeit, dann an der Westküste entlang (über Afulu, Sirombu und Hinako) dann Richtung Süden nach Teluk Dalam (erst ca. 17.00 Uhr Westindonesische Zeit), wo die Flutwelle bei einigen Häusern in der Bucht die Rückseite eindrückte und dann den Fußboden mit Meereswasser überschwemmte. Noch später erreichte die Flutwelle die zu Nias gehörenden 70 km weiter südlich gelegenen Batu-Inseln. Pater Honorius meldete von dort, dass der Boden des Pfarrhauses (und auch der Kirche?) vom Meer überspült wurde. Von anderen Orten haben wir bisher noch keine sichere Nachrichten.

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Ovales Einfamilienhaus, Ort Tumuri bei Gunungsitoli, Nord-Nias. Foto: A. Sibeth

Es gibt hier auf unserer Insel seit jeher schon beträchtliche Kommunikations- und Transportschwierigkeiten. Eine miserable Infrastruktur! – Hier in Gunung Sitoli blieb das Meer am 26. Dez. den ganzen Tag über ruhig, denn wir liegen ja hier an der geschützten Ostküste von Nias. – Am stärksten war die Gegend von Sirombu und nord-westlich davon betroffen. Es gab dort um die 80 Todesopfer. Der Hafenort Sirombu wurde total zerstört. Die Leute konnten aber rechtzeitig fliehen. Nur fünf gingen nochmals zurück in ihr Haus um ihre Sachen zu holen, ... und kehrten nicht mehr wieder. Vielen wurde zum Verhängnis, dass sich das Meer zuerst in einer äußerst starken Ebbe zurückzog, so dass die Leute die zurückgebliebenen Fische einsammeln wollten, bis sich dann plötzlich das Meer hoch auftürmte und zuschlug. In Sirombu geschah dies in drei Schüben. Nach jedem Wellenschub zog sich das Meer erst wieder mal weit zurück, wie um tief Luft zu holen, um dann wieder mit erneuter Wucht anzurollen. Auch unser Pfarrhaus in Sirombu wurde von der Flut betroffen. Es liegt ja direkt am Meer, nur 50 m entfernt. Das Wasser stand dort 70 cm hoch im Haus. Das Haus liegt etwas erhöht auf einer Sanddüne direkt am Meer. Eine kleine Gruppe von Ordensleuten hat dort noch am 28. Dez. auf ihren Armen 20 Leichen gesammelt und in einem Massengrab beigesetzt. Von den Einwohnern war praktisch keine Hilfe zu erwarten; sie standen traumatisiert herum; auch die Polizei half nicht.

Im an der Südspitze von Nias gelegenen Ort Teluk Dalam flohen Hunderte von Leuten in unsere Missionsstation Bintang Laut auf dem Hügel oberhalb des Zentrums. In der Bucht wurden sechs Häuser zerstört; andere nur beschädigt, reiner Sachschaden. Hier gab es keine oder kaum Verletzte! Es ist jedoch ein Rehabilitationsprogramm notwendig. Notwendig ist auch Unterhalt für die Leute, welche durch die Überschwemmung ihre Existenzgrundlage (ganz oder z.T.) verloren haben: geknickte Palmen und Absterben der Pflanzen durch das Salzwasser. Es kann 2 Jahre dauern, bis die Erde wieder frei ist vom Salz.

Die erste Hilfe ist inzwischen fast abgeschlossen. Danach geht es ans Aufarbeiten, was sich viel länger hinziehen wird. Rehabilitation; verwüstetes und versalzenes Ackerland, Strassen und Verkehrswege, Waisenkinder usw. Es ist unglaublich, was diese Katastrophe nicht alles in Bewegung setzte. Eine kleine Nebenwirkung: Die Ernennung unseres neuen deutschen Konsuls in Medan ließ bisher sehr lange auf sich warten. Doch aufgrund der Katastrophe wurde nun im Eilverfahren der neue Konsul Herr Schmelzer ernannt. Gestern hat er es mir per Telefon mitgeteilt.
Vielleicht gibt es auch noch etwas Deutsche Hilfe für Nias.
Ich wünsche Ihnen nun ein glückliches und gesegnetes Neues Jahr

Mit herzlichen Grüßen
Pater Johannes


Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008