AFRIKANISCHE FELSENBILDER

Malereien und Gravuren auf Stein

Von Gisela Reppel

Nirgendwo in der Welt treten Felsbilder in einer solchen Fülle und Vielfalt auf wie auf dem afrikanischen Kontinent. Hunderttausende von Fundstellen gibt es, allein in Südafrika soll es ein bis zwei Millionen Felsenbilder geben. In den letzten 50 Jahren sind zahlreiche Veröffentlichungen zur afrikanischen Felsenkunst erschienen, jedoch konzentrierten sie sich in den meisten Fällen auf ein Land oder eine Region. Zum Teil handelt es sich dabei um sehr spezielle wissenschaftliche Publikationen, die nur einem kleinen Publikum zugänglich sind.

Das Buch „Afrikanische Felskunst“ ist der Versuch, einen Blick auf die gesamte Felskunst Afrikas zu werfen und deren „einzigartige Qualität, kulturelle Weltgeltung und ihre Verletzlichkeit“ einem großen Publikum vorzustellen. Die Autoren, David Coulson und Alec Campbell, bereisten 15 Länder und haben Hunderte von Fundstätten aufgesucht, wobei mehr als 30.000 Fotos entstanden sind. Die Felsenbilder, Zeugnisse einer Zeit, die dem modernen Menschen (noch) viele Rätsel aufgibt, sowohl was die Schöpfer der Bilder als auch ihre Motive und die damit verbundenen Aussagen angeht, sind vielen Bedrohungen ausgesetzt: dem Klima (zum Beispiel die extreme Hitze und Kälte in Wüstengebieten), aber auch Vandalismus, Sammler, die zu Dieben werden, der expandierenden Tourismusbranche und dem Ausbau der Infrastruktur. Um die Felsenbilder zu erhalten (sie sind mittlerweile zum Weltkulturerbe erklärt worden), wurde 1996 der „Trust for Afrikan Rock Art“ (TARA) von David Coulson gegründet. Dieser hat die Aufgabe, den Erhaltungszustand der Bilder zu dokumentieren, Informationen bereitzustellen und Konservierungsmethoden zu entwickeln.

Es gibt drei große Regionen, wo die Felsenkunst vorkommt: erstens Nordafrika (Fundorte in der Sahara, Marokko, Äthiopien bis hinunter zum Turkanasee in Kenia); zweitens Ostafrika (Funde in Kenia, Tansania, Sambia, auch Teile in der Demokratischen Republik Kongo und Angola); drittens Südliches Afrika (Namibia, Botswana, Südafrika).

In Europa erfährt man um die Mitte des 19. Jahrhunderts von den Felsenbildern; Reisende und Forscher suchten die Fundstätten auf. Sie waren fasziniert von ihnen, konnten sich aber nicht vorstellen, dass Afrikaner die Urheber dieser Kunstwerke sein konnten. Dies passte zum imperialistischen Gedankengut dieser Zeit - man sprach Afrika eigene Ideen und, damit verbunden, künstlerische Werke ab. Daran schließt sich nun die Frage der Datierung der Felsenbilder an. Die ältesten Malereien auf Stein in Afrika hat man in Namibia in der „Apollo-11-Höhle“ gefunden. Ihr Alter liegt zischen 19.ooo und 27.000 Jahre. Sie sind damit nicht so alt wie die Felsenmalereien in Chauvet (Frankreich), die vor cairc 32.000 Jahren entstanden sind, jedoch gibt es keine Funde und Beweise, die für einen Fremdeinfluss bezüglich dieser Kunst in Afrika sprechen.

Erinnern wir uns: Die Vorfahren des Homo sapiens, die schon Merkmale des aufrechten Gangs zeigten, entwickelten sich vor zwei Millionen Jahren in Afrika. Mit den sich verändernden Umweltbedingungen entwickelten sie Werkzeuge, die ihnen nicht nur die Nahrungsbeschaffung erleichterten. ‚Nebenprodukte’ waren vielleicht auch Werkzeuge und Techniken, die es zu irgendeinem Zeitpunkt ermöglichten, die Felsen künstlerisch zu bearbeiten.

Was haben diese frühen Menschen dargestellt? Naturalistische Darstellungen überwiegen: Es gibt drei große Motivgruppen: Tiere, Menschen und Tiermenschen (wobei häufiger menschliche Figuren mit Tierköpfen auftreten als umgekehrt) und geometrische Muster. Mit welchen Materialen wurde gearbeitet? Die Farben setzten sich zusammen aus organischen und mineralischen Materialien wie Pflanzen, gemahlenen Steinen, Blut, Fetten. Welche Techniken haben die frühen Menschen angewandt? Zum einen gibt es die Piktogramme, das heißt, dass die Bilder eher gezeichnet als gemalt sind (mit Pinsel oder auch Finger), bei den Gravierungen wurden die Umrisse von Bildern vorgemalt, um anschließend das Motiv mit entsprechenden Steinwerkzeugen aus dem Felsen herauszuschlagen. Was erzählen die Felszeichnungen dem fremden Betrachter? Dies ist die wohl wesentlichste Frage, für die es über die Jahrzehnte hinweg unterschiedliche Deutungen gibt, und noch heute zerbrechen sich Forscher und Laien den Kopf darüber. Weit verbreitet ist die Annahme, dass die dargestellten Szenen religiösen Charakter haben beziehungsweise „Momentaufnahmen“ von Trancezuständen oder der Ekstase zeigen. Die Felsenkunst gewährt uns Einblicke in das Leben früher Gesellschaften, wir sollten uns daher mit den Kulturen beschäftigen, die diese Werke hervorgebracht haben, wenn wir die Bilder verstehen wollen. Die Autoren plädieren für dieses Verständnis, denn nur was man kennt, kann man auch schützen.

Wenn der Leser in der Einführung liest, wie schwierig es ist, die Felsmalereien zu fotografieren, wird er sich umso mehr über die faszinierenden Fotos dieses Bildbands freuen. Hier liegt eindeutig der Schwerpunkt auf dem visuellen Eindruck, ohne die Hintergrundinformationen im Text zu vernachlässigen. Dieses Buch ist eine hervorragende Einführung für all die Leser, die sich bisher nur am Rande mit Felsenmalereien beschäftigt haben, es weckt überhaupt erst die Neugier darauf. Den großartigen Fotos und Zeichnungen sind erläuternde Texte beigefügt, die man nicht überlesen sollte. Anschauliche Karten geben einen Überblick über die Verteilung der Felsenkunst, der afrikanischen Völker und Sprachgemeinschaften. In einem Glossar werden wichtige Begriffe noch einmal erläutert.

Der Bildband ist insgesamt ein visueller und informativer Genuss!

David Coulson und Alec Campbell:
Afrikanische Felsenbilder - Malereien und Gravuren auf Stein.
256 Seiten, 189 farbige Abbildungen, 120 Zeichnungen und 7 Landkarten.
Weingarten Verlag 2003; 59 Euro


Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008