EDUARD FRIES, MISSIONAR UND MALER UND DIE INSEL NIAS/INDONESIEN

Von Achim Sibeth

Das schön gestaltete Buch erschien anlässlich der gleichnamigen Wanderausstellung, die erstmalig im Völkerkundemuseum Wuppertal und zum Abschluss im Städtischen Museum Lemgo präsentiert wird. Buch und Ausstellung würdigen das Leben und Wirken eines der zahlreichen Missionare, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Auftrag der evangelischen Rheinischen Missionsgesellschaft (heute VEM) in Indonesien arbeiteten. Eduard Fries (1877-1923) wurde als Sohn eines Lehrers in Barmen geboren, dem Muttersitz der Rheinischen Missionsgesellschaft. Nach dem Studium der Theologie begann er um 1900 seine Laufbahn als Missionar, die ihn von 1903 bis 1920 nach Nias führte. Die letzten Jahres seines vergleichsweise kurzen Lebens war er schließlich Direktor der Rheinischen Missionsgesellschaft in Barmen.

Eduard Fries ist in weiten Teilen ein typischer Vertreter der rheinischen Missionare des 19. und 20. Jahrhunderts, die sich als junge Menschen dem Dienst an Evangelium und Mission verschrieben haben und bereit waren, unter Aufbietung großer Leistungs- und Leidensbereitschaft ein aufopferungsvolles, schweres Leben in einem ihnen völlig fremden, tropischen Land zu führen. Seine innere, paternalistische Einstellung gegenüber der lokalen Bevölkerung war vom damaligen Zeitgeist geprägt, der die christliche, westliche Kultur den ‚heidnischen, primitiven’ Kulturen in den Ländern des Südens als überlegen interpretierte. Das erkennt man unschwer daran, dass er mehrfach seine ‚Schützlinge’ als seine ‚Kinder’ bezeichnet (zum Beispiel S. 83, 100). Und wie seine Missionarskollegen unter den Batak auf Sumatra (Nommensen, Warneck et cetera), zu denen er teilweise sogar verwandtschaftliche Beziehungen über seine Schwestern hatte, war auch Fries zu einem sehr großen Teil von den Spenden der deutschen Gläubigen abhängig. In seinen Rundbriefen der Jahre bis zum Ersten Weltkrieg berichtete er den heimatlichen Gemeinden aus dem Feld der Mission, um dringend erforderliche Spendengelder zu akquirieren. Daher nehmen Kopfjagd, Kriegszüge, Sklaverei, Blutrache, Geisterglaube und Angst in seinen Beschreibungen weite Räume ein.

Die Publikation widmet sich in sieben Beiträgen seiner Biografie (M. Humburg), seinen künstlerischen Dokumenten (M. L. Tjoa-Bonatz), seinen kartographischen Leistungen (W. Marschall), seiner Arbeit als Missionar (M. Fries), seinem Verhältnis zur niederländischen Kolonialmacht (C. Veltmann) und dem Prozess seiner Annäherung an die ihm fremde Kultur der Bevölkerung von Nias (M. L. Tjoa-Bonatz). Auszüge aus den Rundbriefen von E. Fries, der Wiederabdruck eines Artikels über „Niassische Gesänge“ (Fries 1907), eine Bibliographie und ein Tafelteil mit den 36 Farbabbildungen seiner künstlerischen Arbeiten schließen den Band ab. Die Rundbriefe konnten vom Redaktionsteam aus verständlichen Gründen nur in kleinen Auszügen abgedruckt werden, wobei jedoch leider offen bleibt, nach welchen Kriterien gerade diese aus den 65 Rundbriefen und circa 500 erhaltenen Seiten seiner privaten Briefe (S. 102) ausgewählt wurden. Der Artikel von Tjoa-Bonatz (S. 23-29), die das künstlerische Werk von Fries beschreibt, ist aus musealer Sicht besonders interessant und macht aufgrund der zahlreichen Abbildungen einen spezifischen Reiz dieser Publikation aus. Nach meinem Kenntnisstand ist Fries der einzige in Indonesien arbeitende Missionar, der sich in Zeichnungen und Aquarellen mit der Heimat seiner ‚Schützlinge’ auseinander gesetzt hat. Von den angeblich über 100 erhaltenen kleinformatigen Werken wurden – ohne Karten oder Grundrisse mitzuzählen – für diese Publikation 53 Blätter ausgewählt.

Die Würdigung und Bewertung der überwiegend landschaftlichen und architektonischen Zeichnungen und Aquarelle von Eduard Fries gerät leider etwas kurz. Warum er in seinen Bildern – bis auf eines der reproduzierten Werke (Abb. 1, S. 23) – keine Bildnisse der ihm von der Kirche anvertrauten niassischen Mitmenschen darstellt, hätte man detaillierter beschreiben müssen. Stand er den Ono Niha wirklich so distanziert gegenüber, dass sie es ihm nicht Wert waren, sie bildlich festzuhalten, oder hat er sich für diesen Zweck vor allem des Mediums der Fotografie bedient? Sein angeblicher „Blick auf das Fremde“ richtet sich offensichtlich mehr auf die unbelebte Natur und Architektur als auf die Trägerinnen und Träger niassischer Kulturen. Der letzte Satz von Tjoa-Bonatz: „Seine Bilder dokumentieren diesen Wandel und vermitteln gleichzeitig mit einer gezielt auf europäische Augen abgestimmten Asienikonographie eine andere, vergangene Welt in der Fremde“ (S. 29) ist zumindest missverständlich. In den hier abgebildeten Arbeiten von Fries ist ein „Wandel“ eigentlich nur darin zu erkennen, dass er diverse Gebäude seiner Missionsstation zeichnet, ein Wandel niassischer Kultur ist jedoch nirgends erkennbar. Worin letztlich die titelgebende "Asienikonographie" seiner Werke besteht, bleibt leider offen.

Im Artikel von Bonatz (S. 37) ist die Zahl der Inseln, die zu Indonesien gehören, durch neue amtliche Zahlen überholt (es sind nach Auswertung jüngster Sattelitenaufnahmen 18.108, laut Frankfurter Rundschau vom 18.2.2003). Die hier (S. 37) ebenfalls erwähnte „Isolierung von Nias“, da sie angeblich „fernab der üblichen Handelsrouten liegt, welche östlich von Sumatra durch die Straße von Malakka verlaufen“, ist nur als ‚relativ’ zu bezeichnen, da die zahlreichen schon im 17. Jahrhundert gegründeten niederländischen und englischen Handelsstationen an der Westküste von Sumatra eine ganz andere Sprache sprechen. Bonatz korrigiert diese vereinfachte Darstellung selbst auf S. 48, indem er richtigerweise auf die frühen Handelsverträge verweist.

Die Bandbreite der Beiträge sorgt dafür, dass das Buch keine reine Missionarsbiografie bleibt, die vielleicht nur in kirchlichen Kreisen Nachfrage und Interesse erregt, sondern macht das Buch auch für all jene lesenswert, die Interesse an der Geschichte und Ethnographie einer indonesischen Insel, an Kolonialgeschichte sowie individuellen und ausgefallenen Biografien haben. Die reproduzierten Aquarelle und Zeichnungen sind kleine Kunstwerke, die im Bereich der Karten und Architekturbilder das große dokumentarisch-ethnographische Interesse Fries' und in seinen Landschaften ein für einen Hobbykünstler sicheres Gefühl für interessante Motive, Bildkomposition und atmosphärischen Stimmungen belegen. Der Schreibstil aller Beiträge ist flüssig und allgemein verständlich, die redaktionelle Ausmerzung sonst oft zu beklagender Rechtschreibfehler sehr erfolgreich. Insgesamt also eine lesenswerte Publikation.

Humburg, Martin; Bonatz, Dominik; Veltmann, Claus (Hg.): Im „Land der Menschen“. Der Missionar und Maler Eduard Fries und die Insel Nias. Bielefeld 2003, Verlag für Regionalgeschichte (ISBN 3-89534-493-1) gebunden 26 x 20 cm, 128 S., 60 SW-Abb., 36 Farbabb.


Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008