KERAMIKTRADITION IN ZUNI, NEW MEXICO, USA

Von Susanne Jauernig

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(Abb.1a) Opferschale mit Schlangensymbol "Kolowisi", außen Schlangenmotiv, innen Sternenhimmel mit Libellen, Randy Nahohai 2007. Foto: S. Jauernig

Die etwa 10.000 Zuni leben im gleichnamigen Dorf im semiariden amerikanischen Südwesten der USA, etwa 50 km von der Stadt Gallup entfernt. Sie selbst nennen sich A:shiwi und gehören zu den sesshaften Pueblo-Gruppen des Bundesstaates New Mexico. Als „Pueblo“ (span. Dorf) wurden sie von den Spaniern bezeichnet, die das Gebiet bereits im 16. Jahrhundert besetzten und versuchten die dort ansässige Bevölkerung zum Katholizismus zu bekehren. Eine alte Missionskirche im Zentrum prägt noch heute das äußere Erscheinungsbild der Reservation. Die Zuni gelten als sehr traditionell und wurden weltweit unter anderem durch die Herstellung von Türkisschmuck bekannt. Neben der Anfertigung von farbenprächtigem Schmuck weisen sie eine sehr alte Töpfertradition auf.
Ihre Tonwaren dienten als Vorratstöpfe, Wassergefäße, Koch- und Essgeschirr und wurden auch im zeremoniellen Kontext verwendet. Aus der früheren Produktion (Blütezeit wird auf ca. 800 bis 1200 n. Chr. datiert) von reich verzierten Gebrauchsgegenständen, sowie aufwendigen Ritualgefäßen und Figuren hat sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein hochwertiges Kunsthandwerk entwickelt, das sich auf dem gegenwärtigen amerikanischen Kunstmarkt großer Anerkennung erfreut.

Die Töpferei gehörte ehemals zur Domäne der Frau. Sie brauchten zur Herstellung ihrer Gefäße keine Töpferscheibe, denn sie arbeiteten in der Wulst- und Aufbautechnik. Unterschiedliche Farbpigmente gewannen sie aus Mineralien und Pflanzen, gebrannt wurde im Freifeuerbrand. Das Wissen zur Herstellung der Keramik tradierten sie innerhalb ihres Familienverbandes. Heutzutage ist die Töpferei in Zuni dagegen keine reine Frauendomäne mehr. Auf dem Kunstmarkt präsentieren zunehmend die Männer ihre kunstvoll gestalteten Keramiken im traditionellen Stil.

Form, Funktion und Design
Motive, Muster und Formen der Keramikkunst werden seit Jahrhunderten überliefert. Ob reich verziert oder undekoriert, Keramiken in Zuni sollen grundsätzlich benutzbar sein. Übliche Gefäße sind: große Schalen zum Ansetzen von Brotteig oder für den traditionellen Fleischeintopf, Krüge in unterschiedlichen Größen, ehemals zum Aufbewahren von Getreide und Wasser, kleine Wasserflaschen, sowie große und kleine Maismehlschalen mit oder ohne Henkel, die der Aufbewahrung von gesegnetem Maismehl dienen und am Hausaltar stehen oder in den Zeremonien zum Einsatz kommen.

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(Abb.1b) Opferschale mit Schlangensymbol "Kolowisi", außen Schlangenmotiv, innen Sternenhimmel mit Libellen, Randy Nahohai 2007. Foto: S. Jauernig

Die Verzierung setzt sich überwiegend aus abstrakten Mustern und Tierdarstellungen zusammen und nimmt Bezug auf Regen, Fruchtbarkeit und Jagd. Aus dem Tierreich sieht man überwiegend Frösche, Kaulquappen und Libellen (Symbole der Fruchtbarkeit), die durch die vom Sommerregen erzeugten kleinen Teiche angelockt werden, das Reh als Jagdsymbol sowie die mythologische Figur der gefiederten und gehörnten Wasserschlange kolowisi (Abb.1a,b). Das so genannte „Reh im Haus“ ( na’lan k’yakwen’uteapa ) gilt als explizites Zuni-Design. Es zeigt ein von Ornamenten eingefasstes Reh mit einem Pfeil, der vom Mund bis zum Herzen verläuft; er steht für das Leben des Tieres. Der Raum zwischen Pfeil und Tier ist der Lebensatem. Diese zoomorphen Motive sind mehr oder weniger gegenständlich dargestellt, im Gegensatz zum „Rainbird“. Der „Rainbird“ ist Begriff für diverse abstrakte Motive, die alle in Verbindung mit Regen stehen. Die Bandbreite reicht von der stilisierten Abbildung eines Vogels bis hin zu geometrischen Figuren. Solche Muster werden häufig mit stilisierten Federn (wirken manchmal wie Pflanzenwerk) verbunden, die eingearbeitet in geometrische Texturen zu allerlei unterschiedlichen Kompositionen führen. Das Grundgestaltungselement dieser Malerei ist die Linie. Feine, dicht aufeinander folgende parallele Linien repräsentieren fallenden Regen, gestufte Ränder Wolken (Abb.2). Außer der Sonnenblume ( hepakinne ) gibt es kaum andere botanische Vorlagen in der Zuni-Keramik.

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(Abb.2) Wassergefäß im historischen Stil, "Rainbird"-Muster, Randy Nahohai 2005. Düsseldorf, Hetjens-Museum Inv. Nr. 2005-11. Foto: S. Jauernig

Die aufgeführten Muster verbinden die Künstler auf unterschiedlichste Weise miteinander, wobei die jeweilige Komposition nicht im Widerspruch zur Mythologie oder Bedeutung stehen darf.. Jeder Künstler setzt das ihm zur Verfügung stehende Repertoire an Gestaltungselementen, Bearbeitungstechniken, Farben und Formen unterschiedlich ein. Daraus haben die Töpfer individuelle Stile entwickelt. Inspirationsquelle für die heutigen Töpfer und Töpferinnen sind Funde aus der prähistorischen und historischen Zeit sowie Wandmalereien, insbesondere auch Petroglyphen (Felszeichnungen). Vorbilder finden sie auch in der ethnologischen Literatur zum Beispiel in den Publikationen von Frank Hamilton Cushing oder Ruth Bunzel.

Die Künstler
Heute gibt es rund 30 Zunitöpfer bzw. Töpferinnen, die dem Kunsthandwerk in unterschiedlicher Weise (kommerziell: gekaufter Ton, synthetische Farben und traditionell: gesammelter Ton aus Zuni und Farben aus eigener Herstellung) und Intensität nachgehen. Einige sind regelmäßig auf dem Indian Market in Santa Fe (ein großes Ereignis für den indigenen Kunstmarkt) anzutreffen, andere arbeiten nur gelegentlich an neuen Gefäßen und nicht immer sind diese Arbeiten zum Verkauf. Da das Töpfern zumindest an der Zuni High School Gegenstand des Kunstunterrichts ist, werden viele Schüler animiert dem Kunsthandwerk nachzugehen. In der einmal im Jahr organisierten „Art Show“ können sie ihre Werke präsentieren, die von einer hochqualifizierten Jury bewertet werden. Dabei entdecken die Juroren immer wieder junge Talente. Einige von ihnen entwickeln ihre Fähigkeiten weiter wie zum Beispiel der ehemalige Schüler und heutige Kunstlehrer an der High School, Gabriel Paloma. Sehr bekannt und aktiv sind neben Gabriel Paloma auch die Familie Peynetsa, Quanita Kalestewa, Eileen Yatsattie, Marjorie Esalio, Noreen Simplicio, Roxia Panthea und die Familie Nahohai.

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(Abb.3) Randy Nahohai mit Mutter Josephine, die seine Keramik begutachtet (2005). Foto: R. Jauernig

Die Brüder Randy und Milford Nahohai erlernten das traditionelle Töpfern von ihrer Mutter, Josephin Nahohai, die eine bekannte Töpferin war und zahlreiche Auszeichnungen erlangte (Abb. 3). Die bedeutungsvollste darunter erhielt sie im Jahr 2005 auf dem 84. Indian Market in Santa Fe. Dabei handelte es sich um den SWAIA-Preis „Lifetime Achievement Award“ der nicht nur ihre keramischen Werke, sondern ihren Einsatz zur Aufrechterhaltung der Zuni-Keramiktradition im 20. Jahrhundert würdigt. Milford Nahohai stellt in den letzten Jahren überwiegend Maismehlschalen ( aweluyaba’sa’le ) intraditioneller Weise her - nicht nur zum Verkauf, sondern auch für die Dorfgemeinschaft (Abb. 4a,b). Seine Schalen haben unterschiedliche Größen und Formen und er arbeitet viel mit kleinen Tierfiguren als Applikationen, die er an der äußeren Gefäßwand ansetzt. Bei seiner Motivwahl lässt sich Milford gerne von den zahlreichen Petroglyphen, die sich an Felsformationen um Zuni und über den ganzen Südwesten verbreitet finden, inspirieren.

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(Abb.4a) Milford Nahohai bei der Arbeit, 2005. Foto: J. Nahohai

Neben der Herstellung seiner Keramiken experimentiert Milford viel mit neuen Gestaltungstechniken, die er auf zahlreichen Reisen und Kontakten zu in- und ausländischen Töpfern verfeinern konnte. Mit diesen neuen Erkenntnissen hofft er die dreihundert Jahre alte Technik der Zuni – die Anwendung von Glasur und unterschiedlichen Farben – ein Wissen, das in den letzten Jahrhunderten verloren ging, rekonstruieren zu können.

Randy Nahohai ist Kunstmaler und Töpfer (Abb.5a,b). Besondere Auszeichnungen erhielt er unter anderem für seine Wassergefäße, die er nach historischen Vorbildern formt und bemalt. Von Vorbildern ausgehend, löst er einzelne Gestaltungselemente aus ihrer ursprünglichen Textur und setzt sie neu zusammen. Damit schafft er neue Bilder in einer alten Sprache und vollzieht in besonderer Weise die Überlieferung der Motivik für die kommenden Generationen: “Ich bringe die alten Muster wieder, aber in neuer Art und Weise”, formuliert er selbst das Ziel seiner Tätigkeit als Töpfer.

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(Abb.4b) Milford Nahohai: Schale mit Fröschen. Foto: J. Nahohai

Bei den meisten seiner Arbeiten ist die Bemalung geometrisch, polychrom und formunterstützend. Eine klare Aufteilung der Grundform vom Hals über die Schulter, den Bauch bis hin zum Boden in ‚negative’ und ‚positive’ Felder ist deutlich erkennbar. Nichts wird dem Zufall überlassen. Bei der horizontalen Strukturierung der Oberfläche bedient er sich der Repetition mit Rückgriff auf die kosmologisch relevante Zahl von vier und sechs. Die Zuni-Kosmologie hat sechs Richtungen: Zu den vier Himmelsrichtungen, Norden, Osten, Süden und Westen kommen noch Nadir und Zenith. Die Keramik ( Abb. 2) zeigt dieses Gestaltungsprinzip deutlich: Sechs Wolken in Form eines „Rainbirds“ folgen einander in gleichem Abstand auf der Wandung. Schraffierte Flächen innerhalb und außerhalb der Wolken repräsentieren Regen und die Weiß belassenen, die Stufen umgebenden dicken Streifen, Blitze. Onanne (übersetzt "Weg") nennt man die unterbrochene Linie, die den Hals vom Körper optisch trennt. Es ist die Lebenslinie des Gefäßes, die in Verbindung zum Künstler und ebenso zur allumfassenden Schöpfung steht. Die Nahohais haben dieses alte Element in den 80er-Jahren wieder aufgegriffen und verwenden es seither.

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(Abb.5a) Randy Nahohai im Atelier, 2005. Foto: Jaycee Nahohai

Nahohai Keramiken im traditionellen Stil befinden sich unter anderem im Maxwell Museum of Anthropology in Albuquerque, dem Heard Museum in Phoenix und dem Hetjens-Museum in Düsseldorf, dem National Museum of the American Indian sowie in Privatsammlungen und sind in zahlreichen Katalogen publiziert.

Keramiken der Zuni dienen nicht nur der Dekoration oder dem Gebrauch – sie sind auch Speicher kulturellen Wissens, das die vorgestellten zeitgenössischen Künstler im Dienste der ganzen Zuni-Gemeinschaft korrekt wiederzugeben und zu erhalten anstreben. Mit den Arbeiten schaffen die Zuni-Künstler und Künstlerinnen Zeugnisse vergangener und aktueller Wissenskultur. Denn das Spezialwissen um die Töpferei in Zuni ist tradiertes Wissen, das stets um neue Wissensbestände erweitert wird, indem auch neue Techniken, zum Beispiel der Einsatz elektrischer Brennöfen, Anwendung finden und damit Raum für Innovationen möglich macht: “Zu meinem erlernten Wissen gehören die Gebete, die ich spreche, wenn ich der Erde Ton entnehme, die Vorbereitung des Tons, die Herstellung der Pigmentfarbe und der Brennvorgang.

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(Abb.5b) Randy Nahohai im Atelier, 2005. Foto: J. Nahohai

Dieses Wissen anzuwenden, neue Techniken zu lernen, Ideen und neues Material zu entwickeln angeregt durch die verschiedenen Leuten, die ich auf meinen Reisen in den Vereinigten Staaten und in andere Länder treffe, das ist Teil meiner Töpferkunst, wie ich sie heute mache.” (Milford Nahohai, Interview 2005).

Zuni-Keramik lässt sich aber nicht alleine auf technische und ästhetische Merkmale reduzieren. Denn die Töpfer beschreiben, insbesondere beim Arbeitsprozess, die besondere Beziehung, die sie zu ihren Werken herstellen: "Wenn wir in Zuni ein Stück des Leibes der Mutter Erde entnehmen damit ist der Ton aus der Zuni-Erde gemeint und du machst daraus etwas Neues, ist es als ob du neues Leben in etwas Vergangenes bringst." (Interview Randy Nahaohai, 2005). Die Arbeit mit Ton hat eine spirituelle Dimension – sie ist Teil religiöser Praxis.

Dieser Text enthält Auszüge aus einem von der Autorin verfassten Artikel „Schöpfung und Kontemplation. Kontemporäre Töpferkunst in Zuni New Mexico“, (s. Literaturliste), in dem sie besonders auf die traditionelle Herstellung eingeht.

Weiterführende Literatur
Blom, John; Allan Hayes (1996): Southwestern Pottery. Anasazi to Zuni. Flagstaff
Bunzel, Ruth L. (1972): The Pueblo Potter. A Study of Creative Imagination in Primitive Art
Green, Jesse (1981): Selected Writings of Frank Hamilton Cushing. University of Nebraska Press
Hardin, Margaret Ann (1983): Gifts of Mother Earth. Ceramics in the Zuni Tradition. Phoenix
Jauernig, Susanne (2006): Schöpfung und Kontemplation: Kontemporäre Töpferkunst in Zuni New Mexico. Keramos 194. S. 91–96
Nahohai, Milford; Elisa Phelps (1995): Dialogues with Zuni Potters. Zuni
Ostler, James; Marian Rodee (1986): Zuni Pottery. Atglen
Trimble, Stephen (2007): Talking with the Clay. The Art of Pueblo Pottery in the 21st Century. Santa Fe

Zur Autorin
Susanne Jauernig, M. A., Ethnologin. Seit 2004 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Sonderforschungsbereich "Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel" an der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt zum Thema „Katholische Missionen im Südwesten der USA“. Mehrere Feldaufenthalte in Zuni und Jemez, New Mexico, USA.


Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008