“DREAMING IN PICTURES

Eine Ausstellung geht nach Ostafrika.

Von Wendelin Schmidt

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Jak Katarikawe: “Wife pregnant, cow also pregnant“. Öl auf Karton, 92 x 76 cm, 1974. Sammlung Weltkulturen Museum, Frankfurt am Main

„’Dort durfte ich früher nie ausstellen’, sagte Jak Katarikawe, als er erfuhr, dass seine Retrospektive Bilder aus Träumen im Jahr 2003 in der Makerere Gallery in Kampala (Uganda) gezeigt werden sollte“. So lautet der Anfang eines Artikels im "Journal Ethnologie" der inzwischen verstorbenen Kustodin der Afrika-Abteilung des Museums der Weltkulturen, Dr. Johanna Agthe zum Transfer der Ausstellung nach Ostafrika. Nach mehrmaligen fehlgeschlagenen Versuchen, Personalwechsel in Deutschland und Ostafrika kam es dann zwei Jahre nach Dr. Aghtes Ankündigung im November 2005 endlich zu dem ungewöhnlichen Kunst-Transfer. Rund 30 Bilder des zeitgenössischen ugandischen Malers Jak Katarikawe aus der Sammlung des Museums der Weltkulturen gingen auf Reisen nach Ostafrika. Die Ford Foundation finanzierte den Kunst-Transfer. Für die beiden Ausstellungsorte in Ostafrika kaufte die Ford Foundation außerdem einen Teil der Katalogauflage an, damit die Exemplare dort zu einem erschwinglichen Preis angeboten werden konnten. Der zweisprachige Katalog (Deutsch und Englisch) zur Ausstellung gibt einen guten Überblick über Katarikawes frühes Schaffen, seine Bilder, seine Geschichten und seine Entwicklung. Es ist die erste Monographie, die über den Künstler erschienen ist.

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Ausstellungsbanner, Nairobi Gallery. Foto: W. Schmidt

Die Retrospektive mit über 120 Werken des Künstlers war erstmalig von 2001/2002 in der Galerie 37 in Frankfurt am Main zu sehen. Im November 2005 eröffnete das Nationalmuseum in Nairobi die auf 30 Bilder reduzierte Ausstellung in den Räumen des Old Provincial Comissioner’s Building , das 1913 gebaut wurde und heute die dem Nationalmuseum angeschlossene Nairobi Gallery beherbergt. Die Nairobi Gallery liegt zentral im Banken- und Geschäftsviertel an der Kenyatta Avenue , gegenüber des Uhuru-Parks. In unmittelbarer Nähe liegen die Universität und dahinter das Nationalmuseum. Dieses wird zurzeit mit Geldern der EU renoviert und soll im Juni 2007 eröffnet werden. Angedacht war, zur Neueröffnung die Frankfurter Katarikawe-Sammlung zu zeigen. Die Ford Foundation als Sponsorin des Projektes erlaubte jedoch keine weitere Verzögerung. Mit der Eröffnung von „Dreaming in Pictures“ wurde die Nairobi Gallery auch als neues Gebäude des Nationalmuseums durch einen Vertreter des Museums and Monumental Boards offiziell eröffnet. Die Laufzeit der Ausstellung betrug zwei Monate. Die Ausstellung wurde von einem breiten kulturellen Beiprogramm begleitet, das es ermöglichte, nicht nur unterschiedlichste Besuchergruppen zu erreichen, sondern auch aktuelle Fragen des Kunstbetriebes zur Diskussion zu stellen. In Kunst-Workshops wurden junge Schüler und ehemalige Straßenkinder, die im Mukuru Bedouins Children Centre betreut werden, von professionellen Künstlern angeleitet, ihre Fantasien zu visualisieren. Junge Nachwuchsdichter „vertonten“ Katarikawes Bilder in Gedichten; eine Auswahl der 14 besten Gedichte wurde in einer eigenen Broschüre publiziert. In Kooperation mit dem Goethe Institut gab es zwei öffentliche Diskussionsrunden, die ein Forum für Künstler unterschiedlicher Alterklassen boten und den wichtigen Austausch zwischen den Künstlern initiierten. In einem Kunstkritik-Workshop diskutierten Künstler, Kunstkritiker, Kunsthistoriker, Galeristen und Journalisten die Rolle und Bedeutung zeitgenössischer Kunst in Kenia, sowie die schwierigen Bedingungen von Kunstproduktion und -rezeption in Ostafrika insgesamt. Der Verlauf des Kunstkritik-Workshops erinnerte viele ältere Beteiligte an die 1960er- und 70er-Jahre, als sich Künstler und Assoziierte in Elimo Njaus Künstlerzentrum, Paa ya Paa Art Gallery , zu kritischen Gesprächen trafen. Die zweite Station der Ausstellung war die legendäre Makerere Gallery , die erste Kunstgalerie Ugandas, die sich auf dem Campus der Makerere Universität befindet. Die Ausstellung dort lief von Februar bis April 2006.

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Vernissage Makerere Gallery, Kampala. Im Vordergrund J. Katarikawe beim Signieren eines Katalogs. Foto: W. Schmidt

Obgleich in den meisten Ländern Afrikas lokale Kunstsysteme erst am Entstehen sind und es bislang nur ein eingeschränktes öffentliches Interesse an zeitgenössischer Kunst gibt, war die Retrospektive ein Publikumsmagnet. Mit mehr als 1000 Besuchern allein im Eröffnungsmonat Februar in der Makerere Gallery in Kampala ist die Schau die am meisten rezipierte Ausstellung in der Geschichte Ugandas. Die Besucherzahlen belegen das große Interesse an der Katarikawe-Ausstellung. Dies ist insofern untypisch, da es nur eingeschränkte Kunstöffentlichkeiten in Afrika gibt. Obwohl die institutionellen Strukturen in Nairobi (Kenia) mit Kunst-Akademien, Galerien, Kunstforen (zum Beispiel das Online-Magazin „African Colours“), Kunst-Gesellschaften (zum Beispiel Kuona-Trust ) und Stiftungen (zum Beispiel Ford Foundation ) recht gut entwickelt sind, tragen sie bisher kaum zur Stärkung der lokalen Kunstverhältnisse bei. Kunstschaffende sind zudem einem enormen finanziellen Druck ausgesetzt, der sich aus den korrupten, teils mafiösen Strukturen ergibt. Dieser immense Druck artikuliert sich – wie andernorts in Afrika auch – oft in dem an Expatriates und Touristen adressierten vorherrschenden Genre der „Airport-Art“.

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Jak Katarikawe: „Princess Bagaya“. Öl auf Karton, 63.5 x 51 cm. Sammlung Weltkulturen Museum, Frankfurt am Main

Jak Katarikawes frühe Bilderfindungen gehören nicht dazu. Seine Bilder sind geprägt von der Region seiner Herkunft, der Region Kigezi im Südwesten Ugandas. Anthropomorphisierte Rinder, Heirat, Familie, Feste, Tanz, der Busch mit seinen Gefahren und Verheißungen (als Ort der Geister und der Liebe) sind die Themen seiner frühen Werke. Porträts sind ebenfalls wichtiger Teil seines Oeuvres, etwa das von der ehemaligen ugandischen Außenministerin, Prinzessin Bagaya, Elizabeth of Toro. Katarikawes Bilder sind Visualisierungen von Erzählungen, Geschichten, Träumen, Visionen und Beobachtungen. Er verbindet die orale Tradition Afrikas mit den „neuen“ Ausdrucksmitteln der Malerei und Grafik.

Der Ausstellungs-Transfer ist ein wichtiges Signal, denn im Gegensatz zum üblichen Export zeitgenössischer (afrikanischer) Kunst nehmen die Bilder hier den umgekehrten Weg. Die Idee des (temporären oder sogar permanenten) Rücktransfers von Kunstobjekten zu den Orten ihrer Herstellung ist sinnvoll und gilt es weiter zu verfolgen, um die gesellschaftliche Öffentlichkeit für Kunst und Kunstprozesse zu sensibilisieren und dadurch zur Stärkung von Kunstverhältnissen, beziehungsweise zur Entstehung von Publika, Märkten und Kunstbegriffen vor Ort beizutragen, die von den transnationalen Kulturkartellen unabhängig sind.

Weiterführende Literatur

Aghte, Johanna & Elsbeth Joyce Court (2001): Bilder aus Träumen - Jak Katarikawe. Uganda, Galerie 37, Band 9, Museum der Weltkulturen, Frankfurt/Main
Aghte, Johanna (1990): Wegzeichen. Kunst aus Ostafrika 1974 – 89. Sammlung 5: Afrika. Museum für Völkerkunde, Frankfurt/Main
Kuona Trust: Thelathini (2003): 30 faces and facets of contemporary art in Kenya. Nairobi
Schmidt, Wendelin et al. (2006): Foyer des Arts. Über die DAK’ART 2006. In: Texte zur Kunst, September 2006, Nr. 63, S.256-260



Zum Autor

Wendelin Schmidt, M. A. Studium der Ethnologie und Afrikanistik in Frankfurt und Hamburg. Feldforschungen in Benin, Nigeria und Ghana. Arbeitsschwerpunkte: visuelle und materielle Kultur, Gegenwartskunst, Migration und Ethnizität.


Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008