EDITORIAL

Inländer - Ausländer

Unsere Lebenswelt - in Deutschland und anderswo - ist multikulturell. Niemand würde das heute bezweifeln: Unser Essen, unsere Musik haben kulturelle Bereicherungen erfahren, wir erleben im Urlaub exotische Eindrücke fremder Kulturen. Wir sind immer noch Deutsche, aber die Sushi-Bar um die Ecke und das Wissen über Rituale in anderen Kulturen gehören zu unserem Selbstverständnis. Wir denken längst global und lokal zugleich.

Migrantinnen und Migranten haben in Deutschland dazu beigetragen, dass wir unseren Platz in der europäischen Gemeinschaft gefunden haben. Dabei geht es längst nicht mehr um eine Integration in eine deutsche Kultur, sondern um die kreative Weiterentwicklung von unterschiedlichen Traditionen und Kulturen in einem gemeinsamen Lebensraum von Menschen verschiedener kultureller Herkunft.

In unserem Schwerpunktthema Inländer - Ausländer. Migration und Stadtethnologie sind Aspekte dieser Multikulturaliät zusammengetragen worden. Da geht es um - für uns - ‚neue' Religionen, wie die Santería, die aus der Karibik nach Deutschland gekommen ist und hier weitgehend nur als ‚Musik' wahrgenommen wird. Und um Musik aus Westafrika, die deutsche Konzerthallen für WestafrikanerInnen zu einem Ort der Heimat macht.

Darüber hinaus können Sie lesen, wie marokkanische Familien ein Leben zwischen Deutschland und Marokko organisieren, und welche multikulturelle Spannbreite die Altenpflege angesichts der ständig wachsenden Zahl von in Deutschland alt gewordenen ehemaligen ‚Gastarbeitern' hat.

Aber wir wollen auch zeigen, dass nicht nur in Deutschland Multikulturalität ein wichtiger Aspekt des Lebens ist. Unser Beispiel Brasilien zeigt, wie in Südamerika Indianer vom Amazonas in die Städte auswandern und wie dort ihre Kultur, als ‚Wildheit' bezeichnet, zu einer akzeptierten Identität geworden ist.

Das Erleben von Multikulturalität geschieht nicht immer zwangsweise: Wenn deutsche Urlauberinnen auf Java Beziehungen zu indonesischen Männern eingehen, so erleben sie dies als persönliche Freiheit und erhalten dabei Einblicke in die fremde und - wie in einem Spiegel - auch in die eigene Kultur.


Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008