EDITORIAL

Ethnologische Kinder- und Jugendforschung

Das Thema dieses Schwerpunkts ist: Ethnologische Kinder- und Jugendforschung . Schon lange beschäftigen sich EthnologInnen in ihren Forschungen mit "Kindern und Jugendlichen". In der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts waren es vor allem die Initiationsriten, durch welche Kinder in die Welt der Erwachsenen aufgenommen wurden, denen das Interesse der Forschung galt. Allerdings standen hier weniger die Kinder als vielmehr Fragen nach der Kultur einer Gemeinschaft im Vordergrund: Wie werden Normen und Moralvorstellungen tradiert, und was kennzeichnet ein vollständiges Mitglied der Gesellschaft? Später war es die Lebenswelt der Jugendlichen, mit den ihr eigenen Perspektiven und Werten, die Thema der Forschung wurde. EthnologInnen untersuchten hier die Lebenszusammenhänge von Kindern und Jugendlichen analog zu sozialwissenschaftlichen Studien über jugendliche Subkulturen in modernen Gesellschaften.

Mittlerweile wendet sich die Ethnologie - über Untersuchungen zu Peergroups oder geschlechtsspezifischer Sozialisation hinaus - auch der besonderen Lebenswelt von Straßenkindern, Kindern in Kriegsgebieten oder von der AIDS-Problematik betroffenen Kindern zu.

Aus dem breiten Spektrum der ethnologischen Kinder- und Jugendforschung präsentieren wir hier eine Auswahl. Da geht es zum Beispiel um den Lebensalltag von Kindern auf den Philippinen, die sich traditionell in Abwesenheit der Eltern selbst versorgen müssen (Andrea Lauser), oder um die Probleme von jungen Männern in Burkina Faso, die mangels eines eigenen Einkommens immer weiter in ihrer Herkunftsfamilie bleiben müssen (Claudia Roth). Erika Friedl berichtet über Kinder und Jugendliche im Iran, die innerhalb von einer Generation von "braven Dienern ihrer Eltern" zu Familienmitgliedern werden, die Anspruch auf persönliche Freiheiten und finanzielle Unterstützung haben. Ermute Alber schreibt über Kinder vom Land in Nordbenin, die - wie in Westafrika üblich - bei Pflegefamilien in der Stadt aufwachsen. Und schließlich berichtet Heike Drotbohm von einem Hilfsprojekt in Ruanda, das die vielen Kriegswaisen im Land unterstützt.


Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008