EDITORIAL

Ethnologie und Tourismus

Dieses Schwerpunktthema widmet sich einem schwierigen Verhältnis, dem zwischen Ethnologie und Tourismus . Wenn EthnologInnen in der Vergangenheit in ferne Länder reisten, dann lebten sie dort (so wie Malinowski es einst lehrte) wie die Einheimischen, untersuchten das, was für authentische Kultur gehalten wurde. Ferntouristen dagegen hielten (und halten sich immer noch) in Bereichen auf, die von den Einheimischen speziell für Touristen nach weltweit gleichen Standards geschaffen wurden. Wenn EthnologInnen gefragt wurden, ob (Massen-)Tourismus als kulturzerstörend anzusehen sei oder als der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes dienend, dann beantworteten sie die erste Frage meist mit Ja, die zweite mit Nein und hielten sich tunlichst fern vom Tourismus.

Mittlerweile aber haben sich unter dem Stichwort „Globalisierung“ auch für die Ethnologie neue Blickwinkel aufgetan (siehe den Beitrag von Christoph Antweiler). Wenn in vielen Ländern der Erde Einheimische nicht nur sporadisch an Touristen verdienen, sondern in der Lage sind, sich eine wirtschaftliche Existenz im Tourismus aufzubauen, dann ist dies heute ein ethnologisches Forschungsthema (siehe die Beiträge von Ute Weber und Corinne Neudorfer). Andererseits haben kulturelle Besonderheiten einer Region für Einheimische und Touristen gleichermaßen an Bedeutung gewonnen, in dem Sinne, dass sie Identifikationsmerkmal einer Region geworden sind (siehe Anja Weber).

Im GATE e. V. (Gemeinsamer Arbeitskreis Tourismus und Ethnologie) haben sich EthnologInnen und TouristikerInnen zusammengeschlossen, um ethnologisches Know-how für die Touristikbranche fruchtbar zu machen (in Fragen der Umwelt- und Kulturverträglichkeit zum Beispiel) und um den in der Wissenschaft Ethnologie Ausgebildeten ein Praxisfach zu eröffnen (siehe den Beitrag von Kundri Böhmer-Bauer).

Dass Tourismus eine sehr lange Entwicklungsgeschichte hat, deren Beginn zum Teil schon in der Kolonialzeit liegt, und damit keineswegs ein neuzeitliches Globalisierungsphänomen ist, zeigt Achim Sibeth.


Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008